Nachhaltiges Design oder Ecodesign sind die gängigen deutschen Ausdrücke des im angelsächsischen Sprachraum verwendeten Begriffs "Sustainable Design". Im ersten Moment denken wir schnell an nachwachsende Rohstoffe, Recycling oder Energieeffizienz. An Taschen, die im ersten Leben mal LKW-Planen waren oder T-Shirts aus nachwachsenden Materialien. Nachhaltigkeit rein weg auf Umweltaspekte zu reduzieren, grenzt die Bedeutung des Begriffs deutlich ein. Nachhaltigkeit bedeutet auch, den Sinn von Produkten zu untersuchen oder Konsumverhalten zu überdenken.
Nachhaltiges Design ist langlebig, hochwertig und zeitlos schön.
Die Welt hat sich verändert und mit ihr der Beruf des Designers. Bei der Produktgestaltung geht es nicht mehr darum, mit der Form- und Farbgebung eines Produktes Kaufanreize zu schaffen. Auch wenn die Formgebung eines Objektes ursprünglich einmal mit dem Begriff „Design“ bezeichnet wurde. Heute gehört mehr dazu. Die Gestaltung eines Produktes soll nicht nur funktional und ästhetisch ansprechend sein, es geht auch um Qualität gepaart mit ethischer Verantwortung. Verantwortung zu übernehmen für Menschen, ihre Umwelt und ihrem Blickwinkel auf die Dinge - das ist Nachhaltigkeit.
Nachhaltig orientierte Industriedesigner beschäftigen sich schon im Entwurf damit wie ein Produkt lange erhalten bleibt und seine Notwendigkeit nicht verliert. Es geht nicht darum, ständig neue Bedürfnisse zu wecken und für viele Menschen viele verschiedene Formen zu entwickeln. Sondern darum, sinnvolle Produkte zu entwickeln. Objekte zu schaffen, die zum Festhalten anregen anstatt immer wieder das Neue und noch Spektakulärere zu suchen. Letzteres steht für uns nicht für nachhaltiges Design.
Ein sicher oft zitiertes Beispiel für langlebiges und zeitbeständiges Design ist das 1960 von Dieter Rams entworfene Regalsystem 606 von Vitsœ. Ein Regalsystem, das funktional und neutral gestaltet ist, dass es egal ob in Wohnhäusern, Büros oder öffentlichen Räumen absolut variabel einsetzbar ist. Und das heute noch durch seine nüchterne Ästhetik besticht.
Dieter Rams sagte dazu erst vor kurzem in einem Interview mit Kinfolk:
„Für mich war eine zurückhaltende Ästhetik und Funktion, die so optimiert wie möglich ist, immer wichtig. Diese Qualitäten führen zu langen Nutzungszyklen: Die Objekte werden nicht mehr schon nach kurzer Zeit unerträglich, weil sie sich selbst nicht in den Vordergrund gedrängt haben. Natürlich wirken diese Qualitäten auch als Einschränkung der Innovation. Und dennoch: wir sollten sehr sorgfältig darüber nachdenken, ob wir ständig neue Dinge brauchen. Ich bin schon seit langem für weniger, dafür bessere Dinge.“
Nachhaltiges Design ist selbsterklärend und gründlich durchdacht.
Unser heutiger Alltag ist geprägt von Komplexität. Nachhaltiges, zukunftsfähiges Design muss Komplexität verständlich machen. Komplexität so aufbereiten, dass Produkte einfach bedienbar sind und als alltagserleichternd empfunden werden.
Industriedesigner müssen also einfache Antworten auf komplexe Fragen finden. Sie gestalten die Schnittstelle zwischen Menschen und Objekt/Technik nachhaltig, wenn sie nicht nur äußere Hüllen und Oberflächen aufpolieren, sondern Inhalte mit- und weitergestalten. Seit Jahren genutzte Prozesse auf den Prüfstand stellen und Verbesserungspotentiale aufspüren. Und dabei geht es im besten Falle nicht nur um die reine Produktentwicklung, sondern auch um die Produktion des Objektes beim Hersteller oder noch weiter gedacht um Zuliefererprozesse.
Soweit die Theorie. Doch wie sieht die Praxis aus?
In der Praxis ist es oftmals eine Gratwanderung, als Designer Nachhaltigkeit durchzusetzen. Und nicht selten kommen dabei Kompromisse raus. Kompromisse, die aber nicht immer schlecht sind.
Als Industriedesigner sind wir gleichzeitig Berater aber auch abhängige Dienstleister der Wirtschaft. Wir arbeiten direkt und indirekt einem System zu welches auf Wirtschaftswachstum ausgelegt ist. Wie lässt sich hier Nachhaltigkeit berücksichtigen und leben?
formteam sieht sich selbst als Denker und als Sucher mit feinem ästhetischen Gespür in der Ausarbeitung. Wir versuchen jedes Produkt zu hinterfragen, seinen Nutzen genau zu definieren, um dann seine Gestalt exakt seinem Zweck anzupassen. Auch das ist Nachhaltigkeit – bessere Produkte zu entwerfen. Für diese Aufgabe nutzen wir beispielsweise folgende Tools.
1. Reduktion und Simplifikation
Keine versteckten Knöpfe, keine überflüssigen „Features“ - sondern aufs Wesentliche reduziert. Nachhaltiges Design macht Funktion sichtbar und verständlich, im besten Fall ist die Funktion des Objektes im Ergebnis selbsterklärend.
2. Materialdefinition und Menge, Anzahl
Wir überlegen bei der Materialauswahl sehr genau, welche und wie viele unterschiedliche Materialien wir verwenden. Ein Material mit vielen ökologischen Aspekten ist nicht zwangsläufig ökologischer, als ein Material, bei dem nur vielleicht ein Aspekt zutrifft. Entscheidend sind neben der Anwendung des Materials auch funktionale und gestalterische Gesichtspunkte, Produktionsprozess und Entsorgung.
3. Sinnhaftigkeit und Langlebigkeit
Ein wesentlicher Grundgedanke ist es, Produkte möglichst sinnvoll zu gestalten. Und diese Produkte zudem so zu gestalten, dass sie ihren späteren Nutzern lange erhalten bleiben.
4. Reparatur und Demontierfähigkeit
Ein gutes Produkt soll, wenn es defekt ist, einfach zu reparieren sein. Und am Ende der Nutzung relativ einfach zerlegt und möglichst vollständig recycelt werden, im allerbesten Fall erneut als Ressource einer weiteren Nutzung zugeführt werden.
Dies sind nur einige Beispiele für Maßstäbe, die wir im Produktdesign an gute Produktentwicklung anlegen. Aber auch Maßstäbe, die wir an uns selbst als Designer im Alltag anlegen müssen. Sei es, dass wir lokal und fair einkaufen, wenn möglich öffentliche Verkehrsmittel nutzen, einen sparsamen Umgang mit Büromaterialien pflegen. Dass wir multifunktionaler Geräte oder wiederaufladbare Batterien verwenden, den Standby Modus bei elektronischen Geräten vermeiden oder Rechnungen und Angebote digital statt mit der Post versenden uvm. Nachhaltige Denk- und Lebensweisen fangen immer im Kleinen bei uns selbst an.
Noch ist vieles nicht erreicht, doch wir sind auf dem Weg. Hierzu nun abschließend ein Spruch aus der Praxis: „Es gibt noch immer einiges zu tun.“
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